Ulrike Busch

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Ulrike Busch

Kindheit und Jugend

Ulrike Busch wurde 1952 in Eisenach als Jüngste von drei Geschwistern geboren. Beide Eltern prägten die Familie auch über ihr politisches und gesellschaftliches Engagement: Die Mutter stammte aus einer thüringischen Arbeiterfamilie kommunistisch-sozialdemokratischer Prägung. Der Vater hatte sich bereits in Hessen, wo er herstammte, politisch engagiert und war in der sowjetischen Kriegsgefangenschaft in einem sogenannten AntiFa-Lager, in dem er mit klassischer deutscher Philosophie genauso wie mit den Ideen der Arbeiterbewegung vertraut gemacht wurde. Beide Eltern haben sich für ein Leben in der DDR entschieden und hofften, dass es gelingen möge ein friedliches und „gutes neues Deutschland“ aufzubauen. Ulrike Busch wuchs in eine familiäre Situation in der DDR hinein, in der obwohl dieser Slogan da noch lange nicht erfunden war, das Private auch politisch war.Oral-History-Interview Busch, Zeitcode: ca. 00:05:17. Die Eltern qualifizierten sich in der Nachkriegszeit beruflich, die Mutter wurde Erzieherin, dann Lehrerin und der Vater übernahm nach einem Studium der pädagogischen Psychologie die Leitung eines Kinderheims. Im Elternhaus herrschte eine grundlegend partizipatorisches Klima. Ulrike Busch wächst im Bewusstsein auf, dass Gleichberechtigung […] was ganz Normales istOral-History-Interview Busch, Zeitcode: ca. 00:11:59. ist und dass in einer gleichberechtigten Partnerschaft Berufstätigkeit selbstverständlich zum Leben dazugehört, etwas Befriedigendes hat. Sie beschreibt sich als engagierte Schülerin und ist im Kulturclub der Schule aktiv, erlebt dies als bereichernde Zeit.

Ulrike Busch

Studium und wissenschaftliche Tätigkeit in Berlin und Leipzig

Schon früh interessiert Ulrike Busch sich für einen Beruf im pädagogischen Bereich. War zunächst der Blick auf ein Studium der Psychologie gefallen, schreckte dann doch der offenbar hohe Anteil an Mathematik an der Jenenser Universität. Letztlich immatrikulierte Ulrike Busch sich 1971 für Philosophie an der Universität Leipzig. Das Studium noch dazu in dieser Stadt nimmt Ulrike Busch als grandiose ZeitOral-History-Interview Busch, Zeitcode: ca. 00:25:20. wahr, im Vergleich zur kleinen grauen DDROral-History-Interview Busch, Zeitcode: ca. 00:25:20. als bunt und vielfältig. Inspirierende Begegnungen u.a. mit Studierenden verschiedenster Fachrichtungen und aus diversen Ländern ermöglichen neue Erfahrungsräume. Auch hier wirkt sie im Studentenclub engagiert mit, initiiert Gesprächskreise mit ausländischen Studierenden, z.B. aus Lateinamerika oder Palästina sowie mit namhaften KünstlerInnen. Politisch prägen sich die Proteste gegen den Putsch in Chile oder die Freude über den Sieg Vietnams über den US-amerikanischen Krieg ein. Die Liberalisierung des Rechts zum Schwangerschaftsabbruch in der DDR vom 09.03.1972 ist für sie ein wichtiger Schritt zur weiteren Gleichberechtigung der Frau – ein im Vergleich zur damaligen BRD, aber auch heute noch, ausgesprochen modernes Gesetz.

1975 schließt sie das Studium ab und strebt ein Forschungsstudium am Institut für Philosophie der Universität Leipzig an. Dies bleibt ihr jedoch verwehrt: Sie wird an die dem Zentralkomitee der SED nachgeordnete Akademie für Gesellschaftswissenschaften in Berlin delegiert. Hier widmet sich Ulrike Busch verschiedenen Vorhaben der empirischen Sozialforschung und führt beispielsweise im Rahmen ihrer Dissertation qualitative Interviews in Berliner Großbetrieben durch, erhält Einblicke in den realsozialistischen AlltagOral-History-Interview Busch, Zeitcode: ca. 00:31:04. dort, seine politischen Bewertungen und die Umgangsweisen damit – eine ausgesprochen interessante Zeit. Nach der Aspirantur [Fortsetzung des Studiums mit dem Ziel, einen weiteren wissenschaftlichen Grad zu erlangen] kann sich Ulrike Busch für die Möglichkeit, im Bereich der Medizinethik tätig zu werden, begeistern. Als wissenschaftliche Oberassistentin an der Akademie für ärztliche Fortbildung der DDR (1983-1991) steht in ihrem Berufsleben indes eher die ethische Aus-, Fort- und Weiterbildung von ÄrztInnen im Vordergrund. Ein im Zuge der Wendeereignisse 1990 auf den Weg gebrachtes Projekt zur repräsentativen Befragung von FachärztInnen für Gynäkologie zum Thema Schwangerschaftsabbruch kann nicht zu Ende geführt werden: Die Akademie wird rückwirkend und rücksichtslos geschlossen – Vereinigungsprozess konkret. Das Thema Schwangerschaftsabbruch aber hat sie mitgenommen und es hat ihr fachliches und politisches Engagement seitdem geprägt.

Ulrike Busch

Wende, deutsche Einheit und berufliche Neuorientierung im Bereich Familienplanung

Die Wende erlebt Ulrike Busch grundsätzlich als dramatisch und erschütterndOral-History-Interview Busch, Zeitcode: ca. 03:23:00.. Der Versuch, ein anderes Deutschland zu bauen - gescheitert. Auch die persönliche Entwicklung ist von heftigen Umbrüchen gekennzeichnet. Mit der „Abwicklung“ der Akademie für ärztliche Fortbildungen und ihrer MitarbeiterInnen entsteht die Notwendigkeit für einen beruflichen Neustart: …wenn man in der DDR Philosophie studiert hat und man gerät dann in eine Wende, ist man erstmal wie an- oder ungelerntOral-History-Interview Busch, Zeitcode: ca. 00:38:00.. Mit zwei Kindern keine einfache Situation. Ulrike Busch entscheidet sich für eine Umschulung in systemischer Familientherapie. Das Thema Abtreibung ist dabei die inhaltliche Andockstelle und Kontinuität zur vorherigen Tätigkeit. „Das hat sich gut verbunden mit meinem Bedürfnis mich zu engagieren. Schnell ist klar, dass es im vereinten Deutschland nicht möglich sein wird, das progressive DDR-Recht zum Schwangerschaftsabbruch zu bewahren und dass Vieles die Gleichberechtigung betreffendes zur Disposition gestellt sein würde“. Dennoch oder gerade deshalb will Ulrike Busch in diesem Themenfeld aktiv werden. Sie wirkt am Frauenpolitischen Runden Tisch mit, ist in der politischen Öffentlichkeitsarbeit zur Neuregelung des Schwangerschaftsabbruchs beteiligt, bereitet beispielweise 1991 eine große, bundesweite Tagung von feministischen Gruppierungen zum Thema § 218 mit vor, nimmt an einem Expert_innengespräch mit Rita Süssmuth und Anhörungen im Bundestag teil, steuert Beiträge in Zeitschriften bei und nimmt an Demonstrationen teil.

Es ist nicht verwunderlich mit dieser Haltung auf pro familia zu stoßen, einem Verband, zu dem sie eine große inhaltliche Nähe spürte und von dem sie hoffte, dass sich mit und in ihm der Kampf um die sexuellen und reproduktiven Rechte (auch wenn das damals noch nicht so genannt wurde) lohnen würde.

Die Jahre 1991 bis 1996 sind herausfordernde Jahre, in denen sie nach der familientherapeutischen Umschulung eine dreijährige berufsbegleitende Weiterbildung zur analytischen Partnerschafts- und Sexualberaterin in Darmstadt absolviert, die Beratungsstelle von pro familia in Fürstenwalde leitet (1992-1994), im Bundesvorstand von pro familia Mitglied wird (ab 1993) und das Familienplanungszentrum (FPZ) Balance in Berlin maßgeblich mitbegründet. Erst die Festfinanzierung des Familienplanungszentrums Balance 1994 bringt Ulrike Busch mit dem Wechsel von der ehrenamtlichen in die hauptamtliche Tätigkeit als Geschäftsführerin des FPZ beruflich Boden unter die FüßeOral-History-Interview Busch, Zeitcode: ca. 00:43:00..

Ulrike Busch

Das Familienplanungszentrum Balance und Engagement im Bundesvorstand pro familia und der Ethikkommission für Reproduktionsmedizin der Ärztekammer Berlin

Das Familienplanungszentrum (FPZ) entsteht aus der gemeinsamen Idee mit ehemaligen Kolleginnen der Akademie für ärztliche Fortbildung, sich für das Recht auf Schwangerschaftsabbruch in dieser bewegten Zeit auch ganz praktisch einzusetzen. Die ursprüngliche Idee, pro familia Ostberlin zu gründen zerschlägt sich, auch durch die Skepsis bei pro familia Westberlin. Zu groß scheinen die Unterschiede in den Mentalitäten, die Ulrike Busch augenzwinkernd beschreibt: „dann stoßen da so ‚ne Ost-Muttis auf diese West-Feministinnen“. Auch wenn eine direkte Anbindung nicht verwirklicht werden kann, gibt es doch intensiven Erfahrungsaustausch und Unterstützung. Die Basis des künftigen FPZ wird zunächst im Rahmen des neu gegründeten Ostberliner Vereins ‚Frau und Familie‘ geschaffen. Über damals großzügige ABM-Finanzierungen entstehen neben sexualpädagogischen und psychologischen Dienstleistungsangeboten auch eine Schwangerschaftsberatungsstelle – letztere ist nach dem Einigungsvertrag förderfähig durch das Bundesland Berlin. Das spätere FPZ Balance konzipiert Ulrike Busch mit Weggefährtinnen und im Austausch mit pro familia und deren Zentren in den alten Bundesländern in ehrenamtlicher Tätigkeit. Anknüpfend an das Konzept von pro familia, in dem fachpolitisches Engagement mit dem Dienstleistungsalltag der Beratungsangebote zusammen gedacht wurde, entstand die Idee eines Zentrums, das verschiedene Angebote unter einem Dach vereint: Angebote zu Partnerschaft, Sexualität, Familienplanung und ein frauengerechter, enttabuisierter Zugang zu Schwangerschaftsabbrüchen inklusive der Durchführung ambulanter Abbrüche in respektvoller Atmosphäre und auf modernstem Niveau miteinander verknüpft. Die Schwangerschaftsberatungsstelle bleibt als eigenständiges Projekt (gesetzlich so vorgeschrieben) in unmittelbarer Nähe. So sollte niedrigschwellige Versorgung aussehen und ein emanzipatorischer Umgang mit Sexualität, Familienplanung und auch Schwangerschaftsabbruch ermöglicht werden.

Das Engagement in der Phase der Neuorientierungen erlebt Ulrike Busch – trotz diverser Rückschläge und Kröten […] die zu schlucken warenOral-History-Interview Busch, Zeitcode: ca. 01:43:00. – als befriedigend. Neben den inhaltlichen Fragen wird die Bedeutung von Strukturen und strukturellen Verbündeten schnell klar. In der Folge gründet der Verein ‚Frau und Familie‘ gemeinsam mit pro familia Berlin und Ärztekammer Berlin einen Tochterverein ‚Familienplanungszentrum Berlin e.V.. Diese strukturelle Verankerung ermöglicht den Weg aus der ABM- in die Festfinanzierung des FPZ 1994. In der Zeit ihrer Geschäftsführung steht für Ulrike Busch die stabile Etablierung des FPZ im Bereich der gesundheitlichen Versorgung in Berlin im Mittelpunkt. Hinter drängenden praktischen Problemen wie Finanzierung, Räumlichkeiten, Antragsunwesen u.a.m. muss die inhaltliche, konzeptionelle und politische Arbeit oft zurücktreten oder in die Nachtstunden verlegt werden. Dennoch kann sich das Familienplanungszentrum immer wieder in aktuelle Auseinandersetzungen einbringen, so z.B. in die öffentlichen Debatten zur Pille danach, um Teenager-Schwangerschaften Anfang der 2000er, zum Thema Sexualität und Behinderung. Projekte werden initiiert und haben die Versorgungslandschaft mitgeprägt. Zentral ist der Fokus selbstbestimmter sexueller und reproduktiver Entscheidungen und der Etablierung professioneller Hilfeangebote in diesem Kontext.

Im pro familia-Bundesvorstand engagierte sich Ulrike Busch parallel zu ihrer Arbeit für das FPZ Balance für die Etablierung von pro familia in den neuen Bundesländern. Dass pro familia hier entstehen konnte ist nicht selbstverständlich. Diakonie und Caritas waren auch in DDR-Zeiten bereits ansässig und verfügten über große Unterstützung aus den Mutterverbänden in den alten Bundesländern. Für den nichtkonfessionellen Verband ist dies nicht so. Es gab zwar Fachkontakte zwischen Professionellen der DDR und BRD, aber die alten Strukturen sind nun aufgelöst. Und Landesbände von pro familia in den neuen Bundesländern mussten erst gegründet werden. Viel Engagement auf allen Seiten ermöglicht dennoch die Etablierung von pro familia – Beratungsangeboten, wenngleich sehr unterschiedlich präsent in den einzelnen östlichen Bundesländern. Ulrike Busch hat großartige Frauen und Männern aus den Landesverbänden der alten Bundesländer und dem Bundesverband kennen gelernt, die diesen Prozess mit aller Kraft unterstützt haben.

Ulrike Busch bringt ihre wachsende Expertise zunehmend in Debatten auf dem weiten Feld der reproduktiven Selbstbestimmung ein, beispielsweise die grundsätzlichen Haltungen zur sogenannten „Kompromisslösung“ des § 218 betreffend, zu pränataldiagnostischen Fragen, der Pille danach, zur Freigabe der „Abtreibungspille“, zur Schwangerschaftsberatung oder zum Themenkomplex Verhütung und Hartz IV – so auch als langjähriges Mitglied im Fachausschuss Schwangeren- und Familienhilfepolitik des pro familia Bundesverbandes. Als bereichernd empfand Ulrike Busch zudem ihre Tätigkeit als Mitglied der Ethikkommission für Reproduktionsmedizin der Ärztekammer Berlin, der sie von 1996 bis 2004 angehörte.

Ulrike Busch

Professur für Familienplanung und der Studiengang Angewandte Sexualwissenschaft an der Hochschule Merseburg

Zunächst aus dem pro-familia-Bundesverband heraus, ab 2001 als Teil der LehrcrewOral-History-Interview Busch, Zeitcode: ca. 02:12:00.war Ulrike Busch in die Entwicklung des Masterstudiengangs Sexualpädagogik und Familienplanung an der Hochschule Merseburg involviert. Dort erhielt sie 2001 eine Vertretungsprofessur für Familienplanung. Seit 2003 ist sie zur Professorin für Familienplanung berufen und vertritt die Schwerpunkte von Beratung im Kontext von Fragen der Partnerschaft, Familienplanung und Sexualität. Schon Mitte der 90er Jahre war an der Hochschule durch Professor Harald Stumpe und Professor Konrad Weller ein Schwerpunktbereich Sexualpädagogik und Familienplanung im Studiengang Soziale Arbeit initiiert worden und mit dem Bundesverband pro familia dann eine einjährige Zusatzausbildung Sexualpädagogik. Ulrike Busch wirkt maßgeblich bei der Entwicklung des darauf aufbauenden Masterstudiums mit, dessen Weiterentwicklung der konsekutive Masterstudiengang Angewandte Sexualwissenschaft entsteht. Der Studiengang bewegt sich im Bereich der sexuellen und reproduktiven Rechte mit all ihren Facetten – Genderfragen, Sexualität der Vielfalt, Verhütung, Abtreibung…Oral-History-Interview Busch, Zeitcode: ca. 02:20:00. und ist dem Leitgedanken der Selbstbestimmung verpflichtet. Der Merseburger Studiengang ist der einzige derartige Studiengang in Deutschland, dessen Profil den gesellschaftskritischen und sozialwissenschaftlichen Bezug gegenüber dem medizinisch-orientierten, therapeutischen Blick auf die DingeOral-History-Interview Busch, Zeitcode: ca. 02:25:00. in den Vordergrund stellt.

Ulrike Busch

Fachpolitisches Engagement seitdem

Kontinuität bildet sich ab im ehrenamtlichen Engagement von Ulrike Busch bei pro familia. Viele Jahre ist sie im Vorstand des Landesverbandes Berlin aktiv, u.a. als Vorsitzende, und unterstützt den Verband in seinem Projekt, der großen interdisziplinäre ausgerichteten Beratungsstelle, und in deren Öffentlichkeitsarbeit und verbandspolitischer Wirksamkeit. Wissenschaftlich, aber auch in reger Vortragstätigkeit für Professionelle, Verbände und aktivistische Initiativen, in Veröffentlichung, Medieninterviews und in der Politikberatung bilden für Ulrike Busch die Themen Schwangerschaftsabbruch und Verhütung nach wie vor zentrale Momente, wenn es reproduktive Rechte konkret geht. Symbolisch und faktisch steht der Umgang mit diesen Themen in Deutschland für die nach wie vor defizitäre Stellung der Frau in dieser Frage ebenso wie für die nach wie vor starke Dominanz konservativer Politikgestaltung in diesen Fragen.

Neu hinzugekommen die Frühen HilfenOral-History-Interview Busch, Zeitcode: ca. 03:02:13., in Deutschland sehr stark vom Blick auf Kinderschutz und Kindeswohlgefährdung geprägt. In Zusammenarbeit mit BZgA und Nationalem Zentrum für Frühe Hilfen werden wichtige Orientierungen für die Bedeutung, aber auch die Grenzen der Schwangerschaftsberatung in diesem Kontext herausgearbeitet. Neu hinzugekommen auch die Debatten um Vertrauliche Geburt, anonyme Geburt und Babyklappen – auch hier mischt sie sich kritisch ein. Bezüglich der in Deutschland im Schwangerschaftskonfliktgesetz geregelten Schwangerschaftsberatung ist es ihr ein Anliegen nachzujustieren und zu präzisierenOral-History-Interview Busch, Zeitcode: ca. 02:30:00., dass Schwangerschaftsberatung zuvorderst „Beratung für die Frau“ ist und sich nicht dem Trend folgend auf Aspekte der Beurteilung von Gefährdungspotentialen und Kontrollmechanismen ausrichtet.
Auch eine fundierte Kritik an der Pflichtberatung zum Schwangerschaftsabbruch und im Kern an der strafrechtlichen Verankerung von Schwangerschaftsabbruch und deren weitreichenden Folgen wird zunehmend bedeutsam. Auslösend sind gesellschaftliche Veränderungen: Die ersten 10-15 Jahre nach der gesetzlichen Neuregelung zum Schwangerschaftsabbruch waren durch ein „auffallendes Schweigen zum Thema § 218“ gekennzeichnet.

Nun verändert sich etwas, nicht zuletzt auch vor dem Hintergrund des Heraufdämmern[s] von neuen fundamentalistischen ImpulsenOral-History-Interview Busch, Zeitcode: ca. 02:38:00.. Diese Veränderungen bilden den Anlass für die 2012 an der Hochschule Merseburg veranstaltete Tagung zum Thema Abtreibung – eine Tagung, die eine überraschend hohe Resonanz in allen Bundesländern findet und aus der die Veröffentlichung ‚Abtreibung – Diskurse und Tendenzen‘ (2015) entsteht. Maßgeblich für eine Verbreiterung der Bewegung dann die Verurteilung von Kristina Hänel und anderen Kolleginnen wegen Verstoßes gegen § 219a. Diese Themen auch für die Zukunft voranzubringen, bleibt ein wichtiges Anliegen von Ulrike Busch. Sie mischt sich weiterhin ein, so als Expertin in Anhörungen von Rechts- und Gesundheitsausschuss des Deutschen Bundestages. Sie ist Studierenden ebenso gefragte Referentin wie bei Doctors for Choice oder Fachverbänden.

Dennoch wird für sie immer wichtiger: Es geht um einen Generationenwechsel in der Besetzung der Themen. Würde eine junge Generation sich des Themas, das vielen von ihnen vielleicht als „erledigt“ erscheint, neu und auf ihre Weise annehmen? Wichtig ist dies auch im Kontext des Studiengangs Angewandte Sexualwissenschaft. Ein anstehender Generationenwechsels sollte den Transfer von Inhalten ermöglichen. Aber auch generell. Es ist ermutigend für Ulrike Busch, dass eine neue Generation engagierter Aktivistinnen, aber auch Wissenschaftlerinnen, Journalistinnen… bereit ist, sich einzumischen, weil sie die Bedeutung des Themas auch für sich erkannt haben – bei allen anderen Einbettungen, die es heute erfährt. Denn: Es ist zu wertvoll, zum einen mit dem Blick zurück auf das Erreichte und der gemachten Erfahrung und zum anderen, mit dem Blick in die Gegenwart und in die Zukunft - zu wichtig, als dass man, gerade in der heutigen politischen Situation, sagen könnte, dieses Thema kann man fallen lassen.Oral-History-Interview Busch, Zeitcode: ca. 02:43:00.

Text
Ulrike Busch / Hedwig Suwelack
Stand
19. April 2022